Eigene Clips als Corporate Videojournalist produzierenImmer mehr Unternehmen und Anwender entdecken online Videoclips als praktisches Marketing- und Schulungsmedium. Die Technik erlaubt es qualitativ gute Clips selbst zu produzieren. Und die Zuschauer im Internet schätzen aktuelle und ehrliche Botschaften höher, als schillernde Imagefilme ohne wirklichen Informationsgehalt. Aber wie geht man so ein Projekt an – worauf kommt es an, was braucht man und wie zahlen sich die Mühen am Ende aus? Hier ein paar Erfahrung von meiner Seite als Videoproduzent und Trainer.

Ich habe selbst erst den Einstieg in die Videoproduktion mit bezahlbarer Digitaltechnik gefunden. Schritt für Schritt ist diese Ausstattung dann mit wachsenden Anforderungen in den Projekten umfangreicher geworden. Das hat mir die Flexibilität gegeben, verschiedene Dinge auszuprobieren und aufgrund der Erfahrungen dann die Produktionen anzupassen. Denn die “Regeln” für Erfolg mit Videoclips im Internet unterliegen nicht den gleichen “Gesetzen” wie beim Fernsehen und Kino. Die wichtigste Regel für Erfolg ist Kontinuität. Es bringt in den seltensten Fällen Erfolg wenn man sehr viel Geld in ein einzelnes Projekt investiert. Stattdessen ist es wichtiger, den Besuchern regelmäßig neue Inhalte zu liefern. Die Betonung liegt dabei auch auf neuen Inhalten, denn im Gegensatz zur Werbung im Fernsehen schaut sich im Internet kaum jemand einen Clip 20 oder 30 mal an. Die Finger liegen quasi schon auf der “Fernbedienung” und allein in den letzten 60 Sekunden sind mehr als 70 Stunden neue Inhalte auf Youtube hochgeladen worden. Bei der riesigen Auswahl greifen vielen dann gerne auf Kanäle zu, die regelmäßig neue und interessante Inhalte anbieten. Wenn diese Formate über die Zeit dann noch besser werden, freut sich der Zuschauer um so mehr. Fazit: mit überschaubaren Mitteln anfangen und dann mit steigendem Erfolg mehr investieren.

Die Basis-Kamera-Ausstattung für Videojournalismus-Starter

Die aktuellen Kameramodelle ändern sich alle paar Monate, aber grundsätzlich ist eine Spiegelreflexkamera, wie die Canon EOS 7D zu Beginn schon kein schlechter Einstieg. Auch wenn einige wichtige Video- und Audiofunktionen fehlen, ist die gute Fotoqualität im Unternehmensalltag nicht zu unterschätzen. Die Investition ist meistens auch nicht umsonst, denn die Kamera lässt sich später wunderbar als Zusatzkamera für eine zweite Perspektive einsetzen. Da es auf dem kleinen Display schwierig ist die Schärfe zu beurteilen und es viel Zeit kostet jedes mal den Ausschnitt zu vergrößern ist ein externer Lilliput Monitor sehr praktisch.

Ein Nachteil ist, dass sich mit einer Spiegelreflexkamera und auch mit vielen kleineren Videokameras ohne zusätzliche Ausstattung kaum gute Schwenks oder Zoom Aufnahmen machen lassen. Dafür ist die Bildqualität sehr gut, wenn die Kamera auf einem Stativ steht. Zu Beginn reicht ein Manfrotto Fotostativ mit 3-Wege Kopf für statische Aufnahmen mit einem Moderator vor der Kamera absolut aus. Für Vodcasts oder kleinere Produktvideos in der Regel auch absolut ausreichend.

Wenn das Budget geringer ist, kann man auch eine AVCHD Einstiegskamera einsetzen. Ich würde aber auf einen externen Mikrofoneingang achten – zumindest eine Mini-Klinke. Für meine privaten Aufnahmen bin ich immer noch mit meinem Canon HF100 HD zufrieden. Der wird zwar nicht mehr hergestellt, aber in der Preiskategorie gibt es unglaublich viele alternative Geräte mit relativ guter Bildqualität im Vergleich zum Preis. Zumindest bei gutem Licht. Der Nachteil ist, dass nicht jedes Schnittprogramm AVCHD flüssig schneiden kann. Insofern ist ein recht leistungsfähiger Computer notwendig.

Die JVC XDCAM Kamera im Einsatz vor GreenscreenWenn etwas mehr Geld zur Verfügung steht, käme auch eine JVC GY-100M oder die Panasonic AG-AC90 in Frage. Die liegen aber beide schon zwischen 2.000 und 2.500 Euro und sind immer noch keine richtigen Schulterkameras. Zusätzlich bietet sich dann auch gleich ein passendes Stativ, wie zum Beispiel das Sachtler ACE M für ca. 600 Euro an. Schwieriger ist es im Einstiegsbereich beim Ton: den Spiegelreflexkameras und vielen günstigen Videokameras fehlen professionelle XLR-Toneingänge, an die man gute Mikrofone anschließen kann. Die Zuschauer verzeihen bei aktuellen und interessanten Beiträgen auch mal ein etwas unterbelichtetes Bild, aber bei einer schlechten Tonaufnahme wird weggeklickt. Ein Audiorekorder ist in dem Fall nicht schlecht, aber dafür muss der Ton dann später im Schnittprogramm neu synchronisiert werden. Also an eine Klappe denken oder zumindest vor jeder Aufnahme sichtbar und hörbar in die Hände klatschen. Wenn Inhalte vom Computer aufgezeichnet werden sollen – zum Beispiel PowerPoint Präsentationen eignen sich Screen-Capture Programme wie Techsmith Camtasia oder iShowU HD. Eine Leinwand abzufilmen ist keine gute Idee; meistens ist entweder der Darsteller zu dunkel oder die Projektion ist überbelichtet, unscharf und flimmert.

Beim Mikrofon würde ich auch zu Beginn nicht sparen. Ich verwende ein MKE 2 Drahtlos-Ansteckmikrofon mit einem ew 112-p G3 Sende- und Empfangsteil von Sennheiser. Das hat sowohl einen XLR Anschluss für professionelle Kameras, wie auch eine Mini-Klinke und kann damit an die DSLR Kamera, an ein iPad oder einen Laptop angeschlossen werden. Bei dem Laptop sollte man auf jeden Fall auf Lüftergeräusche achten. Insbesondere, wenn Screen-Capturing parallel zum Einsatz kommt. Die Funkübertragung ist ein absoluter Segen, denn das Kabelgewirr bleibt aus und die Distanz zwischen Sender und Empfänger kann auch mal ein paar Meter mehr sein. Der Empfänger lässt sich praktisch auf dem Blitzschuh der Foto- oder Videokamera anstecken. Kopfhörer sollte man auch nicht vergessen. Nachdem ich lange mit größeren Headsets in geschlossener Bauform gearbeitet habe, bin ich letztes Jahr auf in-ear Kopfhörer mit Geräuschedämpfung umgestiegen. Die sind irgendwie einfach praktischer…

Zuletzt fehlt noch die Schnittsoftware. Ich bin in diesem Bereich nicht wirklich objektiv, aber zu Beginn reicht für einen einfachen Schnitt erstmal die Software, die vom Betriebssystem mitgeliefert wird. Windows Moviemaker oder Apple iMovie sind vielleicht nicht sehr komfortabel, aber die schnelle Einarbeitung hat auch was für sich. Auf die vielen Effekte kann man auch gerne verzichten. Allerdings bietet es sich auch bei den ersten Clips schon an über einen netten Vorspann und Abspann nachzudenken. Wenn dafür nach Musik gesucht wird, verwende ich bei knappen Budgets selbst oft Soundtaxi. Natürlich gibt es unglaublich viele Anbieter, insofern lohnt sich da ein bisschen Recherche 🙂

Ach ja, das Licht: Ich würde erst mal die ersten Aufnahmen machen. Man wundert sich manchmal wie wenig Licht man für akzeptable Aufnahmen braucht. Natürlich sieht ein gut ausgeleuchteter Darsteller besser aus, aber das erfordert auch Übung. Ich verwende selbst drei 800 Watt Strahler, wenn der Raum generell zu dunkel ist. Diese werden indirekt eingesetzt und oft auch als Reporterlicht bezeichnet. Für die direkte Beleuchtung sind diese Strahler zu hell und dort setze ich dann ein portables Studiokit von Dedolight ein. Da hier schnell 2.000 – 5.000 Euro ausgegeben sind, würde ich diese Investition etwas weiter nach hinten verlegen.

Ein Überblick über die Kosten für den Einstieg:

  • Kleinere AVCHD Kamera oder Canon D7 inkl. EF-S 15-85mm: 400 Euro bis 1.700 Euro (die AVCHD Kameras der Einstiegsklasse wechseln zu schnell, sodass es schwierig ist dort eine Empfehlung zu geben). 
  • Sennheiser Ansteckmikrofon mit Sender und Empfänger: ca. 600 Euro bis 900 Euro.
  • Manfrotto Fotostativ: 150 Euro bis 300 Euro.
  • Licht kann man bei Bedarf auch erst mal mieten – was natürlich auch für alle anderen Dinge gilt (nur ist dann der Druck niedriger auch regelmäßig etwas zu produzieren).

Loslegen und Erfahrung sammeln – Investieren

Wenn die Produktionen erste Früchte tragen und es die ersten Views bei Youtube gibt dann ist sicher auch die Motivation größer weiterzumachen. Nicht nur die eigene Motivation – auch die des Unternehmens. Es lohnt sich aber im Vorfeld darüber zu sprechen, was man unter Erfolg versteht. Reichen 250 Views beim ersten Clip nach drei Monaten aus? Oder wurde die Botschaft vielleicht nicht weit genug gestreut. Gab es einen Newsletter für Kunden oder wurde vom neuen Youtube Kanal bei Facebook und Twitter berichtet. Vielleicht gibt es schon erstes Feedback und jetzt ist der Anspruch da, es noch besser zu machen; nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch.

Die Technik wächst – der Geldbeutel schrumpft – die Zuschauerzahlen steigen an

Für den nächsten Schritt kommt sicher eine vernünftige Videokamera mit einem professionellen Stativ in Frage. Die Sony PMW-EX1R oder der JVC GY-HM750E sind gute Kameras zwischen 5.000 Euro und 8.000 Euro. Ich verwende die JVC Kamera, allerdings mit einem Canon Objektiv. Aber ehrlich gesagt, verlasse ich mich selbst bei der Auswahl der richtigen Kamera am liebsten auf magic multi media aus München. Gemeinsam mit Michael Lehmann-Horn hatte ich schon sehr oft das Vergnügen auf der Digitalschnittmesse zu präsentieren. Ich schätze Ihn und sein Team für ihre Kompetenz und Ratschlag im Bereich der digitalen Videoproduktion. Als Stativ braucht man für die etwas schwereren Kameras ein größeres Stativ mit einem ordentlichen Schwenkkopf. Für ca. 1.000 Euro bekommt man ein gutes Videostativ mit Schwenkkopf von Sachtler oder Manfrotto.

Postproduktion 2.0 – effizienter und professioneller in der Nachbearbeitung

Wenn es mehr Projekte werden, dann ist auch sinnvoll über eine bessere Schnittsoftware und einen leistungstärkeren Computer oder Laptop nachzudenken. Jetzt kommt die Überraschung: ich setze für meine Projekte selbst Premiere Pro ein. Das kann man zusammen mit After Effects, Photoshop und Audition für ca. 60 Euro pro Monat mieten. Das ist dann schon eine richtig hochwertige Produktionsumgebung für Schnitt, visuelle Effekte, Audiobearbeitung und vieles mehr. Sehr vieles mehr sogar. Premiere Pro verwendet am liebstem NVIDIA Grafikkarten mit CUDA Beschleunigung, die mindestens 768 GB Speicher haben. Dann läuft selbst die Bearbeitung von AVCHD Material rasant schnell. Das Programm hat seine Stärken beim Export von Videoclips für Internet und mobile Geräte und lässt auch im Schnitt kaum Wünsche offen. Ja, ich weiß im Broadcast Bereich gibt es noch ein paar Wünsche, aber erstens ist das nicht die Zielgruppe für diesen Artikel und zweitens schließt die neue Version ein Großteil dieser Lücken. Daneben gibt es noch Final Cut Pro X, Avid Media Composer oder Edius. Aber meiner – wie schon erwähnt sehr subjektiven – Meinung nach, können diese Programme im Bereich der Online Videoproduktion nicht mit Premiere Pro mithalten.

Die Kosten für den zweiten Schnitt

Wenn gleich alles auf einmal kommt: Licht, professionelle Kamera, Computer und Schnittsoftware sind schnell noch mal zwischen 10.000 Euro und 20.000 Euro ausgegeben. Immer noch kein Vergleich zu den Kosten für eine vergleichbare Produktionsausstattung von vor 10-15 Jahren. Hier hätte man ohne Probleme das 20-30fache ausgeben können und wäre nicht annähernd an die gleiche Qualität gekommen. Aber es muss ja nicht gleich alles auf einmal sein. Am besten eins nach dem anderen, denn man braucht auch jedes mal ein bisschen Zeit, um sich an die neue Technik zu gewöhnen und wieder Erfahrungen damit zu sammeln.

Für diejenigen, die sich zu Beginn den einen oder anderen Umweg ersparen möchten, biete ich gemeinsam mit Dr. Guido Vogt Seminare für Videojournalismus im Unternehmensbereich an. Der Workshop beinhaltet den ganzen Prozess von der Planung, der Produktion, der Postproduktion bis zur Veröffentlichung. Gleichzeitig gibt es natürlich noch viele hilfreiche Tipps für die zukünftige Ausstattung.

Warum das alles?

Grundsätzlich haben immer mehr Unternehmen Interesse an der Produktion eigener Clips, denn darüber lassen sich Kunden und Mitarbeiter sehr gut ansprechen und informieren. Die Kosten und die technischen Voraussetzungen sind nicht mehr mit der Videoproduktion vor einigen Jahren vergleichbar. Die inhaltliche Qualität muss natürlich stimmen, aber der Anspruch an die gestalterische Qualität ist im Internet nicht so hoch, wie im TV oder Kino. Tatsächlich verkaufen sich Produkte im Internet besser, wenn Kunden sich dazu Videoclips ansehen können. Oft sind das einfachere Produktvorführungen oder animierte Fotos. Authentische Clips von Mitarbeitern oder Produktexperten, die hinter dem Produkt oder der Dienstleistung stehen, sind ebenfalls sehr viel glaubwürdiger, als aufwendige Imagefilme.